Studierendenleben
09.10.2020
ADHS ist keine seltene Erscheinung mehr. In Deutschland gehen Experten davon aus, dass zwischen 1,3 und 4,7 Prozent aller Erwachsenen vom sogenannten Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom betroffen sind. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, die die Verarbeitung von Emotionen und Reizen negativ beeinflusst. Menschen mit ADHS neigen daher dazu, ständig getrieben zu sein, nicht still sitzen zu können, geschweige denn, den Fokus auf einer schwierigen Aufgabe halten zu können. Mit diesem Symptomprofil fällt es schwer, ein Studium überhaupt in Betracht zu ziehen. Allerdings muss dieses Syndrom nicht zwangsläufig das Aus bedeuten.
Während noch vor wenigen Jahrzehnten ADHS lediglich als Schülerkrankheit betrachtet wurde, die sich verwächst, gibt es heute bereits mehrere tausend Studenten, die erfolgreich ein Studium abgeschlossen haben. Trotz ADHS. Darunter tummeln sich sogar Gestalten, die im Anschluss eigene Unternehmen gründen, als öffentliche Personen auftreten oder die Wissenschaft maßgeblich mit beeinflussen. Die Frage nach einem Studium mit ADHS sollte daher von der Frage „ob“ zu einem „wie“ wechseln. Wie ist es möglich, mit ADHS zu studieren? Darauf gibt es konkrete Antworten. Hier findet ihr ein paar erste Hinweise.
ADHS wird nicht zu Unrecht inzwischen von vielen Experten als regelrechte Epidemie betitelt. Eine gesicherte Diagnose erfolgt daher auch oft verzögert oder bei geringer Symptomatik gar nicht. Generell werden Jungs viermal häufiger mit ADHS diagnostiziert als Mädchen, was aber auch auf unterschiedliche Sozialisierungen zurückgeführt werden kann. ADHS äußert sich in jungen Jahren nämlich vornehmlich durch aggressives und hyperaktives Verhalten – etwas, das bei Mädchen seltener beobachtet wird.
ADHS im Erwachsenenalter tritt in der Symptomatik verändert auf und betrifft eher den Erkrankten selber als seine Umgebung. Experten gehen davon aus, dass über drei Viertel aller diagnostizierten Kinder auch im Erwachsenenalter noch ADHS haben, die Symptome aber durch das introvertierte Verhalten nicht richtig gedeutet werden. Dazu gehören unter anderem:
Zu dieser Liste ist es allerdings wichtig anzumerken, dass nicht jeder Student mit mangelnder Struktur im Alltag oder einem Motivationstief direkt ADHS hat. Im Gegenteil: Wenn du bereits über die gesicherte Diagnose ADHS verfügst, können diese Symptome während des Studiums auftreten. Im Zweifelsfall ist ein psychologischer Berater direkt an der betreffenden Universität oder als erste Anlaufstelle der Hausarzt die beste Wahl.
Auch wenn die Symptome bekannt sind: Welche Auswirkungen kann ADHS konkret auf das Studium haben? Die folgenden Punkte helfen dabei zu verstehen, warum Studieren mit ADHS eine Herausforderung darstellt, die einen strategischen Ansatz zur Bewältigung benötigt.
Ein Studium bringt in der Regel selbst den geordneten Tagesablauf eines gesunden Menschen durcheinander. Unregelmäßige Vorlesungszeiten, ein Nebenjob im Schichtdienst, der Wechsel zwischen intensiven Lernphasen und Leerlauf: Das alles erfordert eine hohe Resilienz, um sich trotzdem auf den Stoff konzentrieren zu können. Genau das aber fehlt ADHS-Patienten.
ADHS funktioniert nicht selten als Störsender in zwischenmenschlichen Beziehungen. In einem Studium werden allerdings oft Gruppenarbeiten verlangt, bei denen alle Beteiligten kooperieren müssen. Das kann für Zündstoff sorgen und Studieren schwerer machen.
Anders als in der Schule, müssen Studierende ihre Lerninhalte selbst einteilen und sich vieles eigenständig aneignen. Die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung und zur logischen Aufteilung des Lernstoffs ist für Betroffene mit ADHS-Syndrom schwierig zu meistern. Viele Aufgaben werden angefangen und nur wenige beendet.
Ein großer Stressor für ADHS-Betroffene ist stilles Sitzen über einen längeren Zeitraum. Überfüllte Hörsäle führen aber genau zu diesem Problem. Zusammen mit mangelnder Bewegung durch fehlende extrinsische Motivation kann das die Spirale der Symptome weiter verschlimmern.
Betroffene mit ADHS-Syndrom haben eine niedrigere Frustrationstoleranz als gesunde Kommilitonen. Gerade nach einer nicht bestandenen Klausur oder einer negativen Gruppenerfahrung bedarf es daher einer gewissen Resilienz, um weiter zu studieren.
Studieren mit ADHS ist möglich, trotz der genannten Schwierigkeiten! Es ist allerdings wichtig, direkt von Anfang an mit einer gewissen Wahrnehmung an den Studienalltag heranzutreten und Maßnahmen zu ergreifen, die dabei helfen, das Studium erfolgreich zu meistern. Je nach Symptomen bei ADHS können diese Maßnahmen anders aussehen, weswegen eine individuelle Beratung vor der Aufnahme eines Studiums anzuraten ist. Generell bewährt haben sich die folgenden vier Tipps:
Der größte Stressor bei einem Studium ist für ADHS-Betroffene die fehlende Struktur. Aus diesem Grund sollten Vorkehrungen getroffen werden, den Alltag möglichst gut einzuteilen. Ein Kontakt zu Studienbetreuern kann dabei helfen, aber auch eigene Entscheidungen. So ist es mit einer ADHS-Erkrankung nicht ratsam, alleine in eine Wohnung zu ziehen oder den Stundenplan so zu legen, dass Stressspitzen und Leerläufe entstehen.
Sport, insbesondere aerober Ausdauersport trägt dazu bei, Stresslevel zu senken. Für ADHS-Betroffene ist die beste Möglichkeit, eine Sportart zu wählen, die intensiv unter Training regelmäßig ausgeübt werden kann. Dazu zählen zum Beispiel Schwimmen oder Laufen.
Das bezieht sich nicht nur auf die Semesterferien. Neben den Auszeiten beim Sport müssen auch regelmäßige Auszeiten vom Studieren genommen werden, damit die Reize verarbeitet werden können. Das hilft dabei, die Aufmerksamkeitsspanne wieder zu steigern.
ADHS-Betroffene können studieren – vorausgesetzt, das richtige Studium wird ausgewählt. Es lohnt sich, bei dieser Entscheidung Zeit zu investieren. Ideal sind praxisorientierte Studiengänge, bei denen die Studenten weniger Stress haben und dafür viele eigene Ideen und Entwicklungen einbringen können.
Generell haben Studierende mit ADHS die Möglichkeit, einen Nachteilsausgleich zu beantragen. Ist dieser Antrag bewilligt, erhalten sie Zeitverlängerungen für Prüfungsleistungen wie Hausarbeiten, Klausuren oder auch gesonderte Pausen.
Da sich die Symptomatik bei ADHS allerdings durch Prokrastination, mangelnde Motivation und sogar physische Symptome wie Schlafstörungen bemerkbar macht, sollte eine solche Maßnahme genauestens überlegt werden. Im schlechtesten Fall entsteht zusätzlicher Druck durch die unbearbeitete Aufgabe, was die Situation weiter verschlimmern kann. Professionellen Rat bekommst du hier durch den Prüfer selber.
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