Speed Reading: einfach effizient Lesen

Studierendenleben

02.10.2022

Speed Reading: einfach effizient Lesen

Wir alle kennen und bewundern sie zugleich mit einem Hauch von Verwirrung: diese Personen in unserem Freundeskreis, welche dazu in der Lage sind, innerhalb eines, zwei oder nur weniger Tage ein komplettes Buch regelrecht zu verschlingen. Zeilen um Zeilen verfliegen, die Seiten verschwimmen zu einem Gesamtwerk aus stundenlangem Hineinfühlen in eine andere Welt. Ob klassische Literatur wie Shakespeare, die Sachbücher Steven Hawkings oder die heilige Bibel des Christentums – sobald sich Buchstaben auf mehreren Seiten zu einem kohärenten Text vereinen, gibt es für sie kein Halten mehr.

Stunden um Stunden scheinen unsere Schnellleser:innen mit dem Studieren von Texten zuzubringen, während sich manch anderer Folgendes, von verzweifeltem Kopfschütteln begleitet, zu fragen beginnt: Wie soll neben stressigem Alltag, Freund:innen und Familie noch die Zeit für all die spannenden Bücher bleiben, die auf dem Regal bereits eine dicke Staubschicht ansetzen?

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Die Recherche nach einer Lösung erinnert mich an zahlreiche Persönlichkeitstests, welche im Netz kursieren – finde heraus, welches Tier, welcher Lerntyp oder welche Art von Partner:in Du bist, so in der Art lauten die Überschriften. Wir Menschen lieben Klassifikationen, Kriterien, anhand derer wir uns einer bestimmten sozialen Gruppe zuordnen können. Beim Leseverhalten scheint dies nicht anders zu sein – entweder du liest viel und gerne, oder du tust es eben nicht. Neben unseren Speed Readern existiert nämlich ebenfalls eine weitere, ebenso verbreitete Spezies an Leseratten: die Lesefaulen. Ihnen werden lange Texte mühselig, das Rezipieren von komplexen Sachverhalten wird zur Sisyphus-Aufgabe. Doch müssen sich Personen letzterer Sorte tatenlos ihrer langsamen Lesegeschwindigkeit hingeben?

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„Schnelles, ökonomisches und verständiges Lesen“ (Prof. Jürgen Baumert)

Die Augen fliegen übers Papier. Rasch werden die Wörter gescannt, während die Zeilen in einem Fluss fusionieren. Das einzige Problem: die mangelnde Konzentration. Immer und immer wieder müssen deine Augen denselben Absatz durchkämmen, da dein Kopf einfach andauernd abgelenkt ist – mal stellt dieser sich der Frage nach dem Mittagessen, dann gleitet er zur anstehenden Hausarbeit oder dem Streit mit der besten Freundin von letzter Woche. Neben Freizeitlektüre gilt es besonders im Studium, zahlreiche Texte in kurzer Zeit zu rezipieren, um im Zeitplan zu bleiben. Primär die Geisteswissenschaften überladen ihre Studierenden oftmals mit entsprechender Literatur, sodass stundenlanges Lesen meist kaum ausbleibt.

Wer sich in obiger Problematik wiedererkannt hat, der kann nun, zumindest kurzfristig, beruhigt aufatmen. Denn: die Ablenkung beim Lesen resultiert wahrscheinlich nicht aus Faulheit oder mangelnder Fähigkeiten, sondern vielmehr daraus, dass du schlichtweg zu langsam liest. Die Folge ist einleuchtend: dein Gehirn nicht ausgelastet, sodass dein Fokus nachlässt. „Obwohl die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit nur bei 200 Wörter pro Minute liegt, so beträgt die durchschnittliche Denkgeschwindigkeit rund 600 Wörter pro Minute – ist also dreimal so hoch“, liest sich bei Ritter Speed Reading und zeigt, dass die Annahme, man könne bei erhöhter Lesegeschwindigkeit den Textinhalt nicht vollständig erfassen, längst überholt ist.

Schnell, ökonomisch, verständlich: Durch die Technik des Speed Readings lässt sich das durchschnittliche Lesetempo verdoppeln, wenn nicht sogar verdreifachen – und bist zusätzlich deutlich konzentrierter, da du dich stärker auf den Leseprozess per se fokussieren musst. Zahlreiche Anbieter:innen geben Coachings, Seminare und Co., um das Geheimnis des Schnelllesens zu lüften. Neben verbesserter Informationsaufnahme bringt Speed Reading nämlich zahlreiche weitere Vorteile mit sich:

  • Effizientere Zeitnutzung
  • Stressreduktion durch schnelleres Abarbeiten von Lesestoff
  • Konzentrationsverbesserung durch Techniken in Seminaren
  • Gedächtnisfähigkeit und schnellere Informationsverarbeitung
  • Wissensexpansion

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Speed Reading-Killer: Gewohnheiten, die Deinen Lesefluss ins Stocken bringen

#1 Die Subvokalisation

Jeder von uns hat vermutlich bereits von der Existenz einer „inneren Stimme“ gehört – der Begleitung, die unser Denken in konkrete Worte kleidet und wie ein stiller Monolog in Echtzeit-Sprechtempo als „mentales Mithören“ fungiert. Auch beim Lesen sprechen die meisten von uns seit Schulzeiten still mit, weshalb sich die Lesezeit wie ein Kaugummi künstlich in die Länge zu ziehen beginnt. Der Nachteil: unser Artikulationstempo liegt erheblich unterhalb der Lesegeschwindigkeit, sodass Ersteres unter Letzterem leidet.

Um diese Gewohnheit ein für alle Mal zu besiegen, lohnt es sich, das Tempo erheblich anzuheben, um das innere Mitsprechen zu überholen. Eine weitere Technik findet sich im lauten Zählen von eins bis zehn während des Leseprozesses, sodass du dich allein auf den gelesenen Inhalt konzentrieren kannst. Vollständig abstellen wirst du das Subvokalisieren leider nicht können, allerdings sind geübte Leser:innen dazu in der Lage, Begriffe allein durch bloßes Hinschauen zu identifizieren. Dies spart erhebliche Zeit und hilft dabei, den Text bereits auf visueller Ebene zu begreifen, ohne diesen zusätzlich auf eine auditive zu transferieren.

#2 Kein Zurück mehr

Mist, wie war das noch gleich? Genervt lässt du deinen Blick erneut zum oberen Ende des Absatzes gleiten. Und das bereits zum vierten Mal – ätzend! Dieses Zurückspringen – auch Regressionssakkaden genannt – führt langfristig dazu, dass wir unser Lesetempo aktiv reduzieren und den Textzusammenhang als Ganzes schlechter erfassen.

Regressionen stellen eine von drei Augenbewegungsmustern beim Lesen einer Sprache dar, welche neben Sakkaden (Vorwärtssprünge der Augen) sowie Fixationen (Ruhe auf einem spezifischen Punkt) auftreten. Fakt ist, dass die Informationsaufnahme während des Regressionsprozesses stoppt, während sie bei der Fixation weiteläuft. Halten wir uns also durch die Absicherung, auch ja sämtliche Inhalte aufgenommen und rezipiert zu haben, auf, beißen wir uns an Sinnabschnitten fest. Lesen wir jedoch nach vorne hinweg, so bleiben wir in unserem inhärenten Lesefluss und stocken nicht andauernd.

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#3 Überfliegen gegen mentale Höhenflüge

In Studium, Ausbildung oder auch der Arbeitswelt begegnen wir häufig komplexen Textstrukturen mit noch komplizierteren Sachverhalten auf inhaltlicher Ebene. Um den Text nicht nur zügig, sondern auch nachhaltig und effizient aufnehmen zu können, lohnt es sich daher, dir zunächst einen Überblick darüber zu verschaffen, welche Kernthematiken konkret behandelt werden.

Kennst du Kontext und wichtige Keywords, welche du durch Titel, Zwischenüberschriften und Schlagwörter identifizierst, wird dir auch das Verständnis des Gesamtkonstrukts leichter fallen. Im nächsten Stepp kannst du nämlich den vorliegenden Text erneut und detaillierter Lesen, um die darin enthaltenen Informationen in den mentalen Rahmen einzusortieren, welchen du dir zuvor mit eigener Handarbeit zusammengebastelt hast.

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#4 Erweitere Deinen Wortschatz

Was bedeutete dieser Fachterminus gleich noch einmal? Grübelnd kramst du in sämtlichen Schubladen deines Denkapparates und doch will dir dieses verflixte Wort einfach nichts über seine Definition verraten. Es hilft alles nichts, das Fachlexikon muss her. Um effizient und zeitsparend Texte zu erfassen, solltest du dich darum bemühen, so wenig wie möglich nachschlagen zu müssen, denn: ein reichhaltiger Wortschatz führt im Handumdrehen auch zu einem verbesserten Textverständnis.

Möchtest du deinen Lesefluss nicht unterbrechen, kannst du dir auch eine Liste anfertigen, in denen du dir unbekannte Fachbegriffe notierst, um diese später zu wiederholen. Bei mehrfachem Durchlesen festigen sich Form und Bedeutung, sodass du beim nächsten Lesedurchgang deutlich flotter durch die Zeilen fliegen kannst!

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#5 In der Ruhe liegt die Kraft

Beinahe so elementar wie das Arbeiten sind auch aktive Auszeiten – schließlich sind weder dein Körper noch dein Geist Motoren, die rund um die Uhr in gleicher Intensität und Auslastung funktionieren. Bei erhöhter Müdigkeit drohst du wieder ins langsamere Lesen zu verfallen und unkonzentriert zu werden – ein Teufelskreis.

Um diesen zu durchbrechen, solltest du maximal 45 Minuten am Stück fokussiert lesen – im Anschluss folgt dann eine kurze Pause, in der du deinem Gehirn Regeneration und Ruhe ermöglichst. Beim nächsten Lesedurchgang im Anschluss wirst du deutlich konzentrierter und um einiges fokussierter Arbeiten können, sodass dir das schnellere Lesen leichter fällt. Inwiefern genau eine zielführende Erholung definiert wird, zeigt uns ein Ausflug in die Welt der Psychologie.

DRAMMA – ein Modell, welches auf der Arbeit der Psychologinnen Sabine Sonntag und Charlotte Fritz basiert, beschreibt sechs Erfahrungen, welche entscheidend für optimale Erholung sind:

  1. Detachment: Distanz, um Loslassen und Abschalten zu können
  2. Relaxation: Entspannung zum Abbau von Anspannung und Stressfaktoren
  3. Autonomy: Autonomie für einen Fokus auf dich selbst
  4. Mastery: die Beherrschung neuer Skills und frischer Wind für dich selbst
  5. Meaningfulness: Sinn, der dich dazu motiviert, deine Tätigkeit als sinnvoll zu erleben
  6. Affiliation: Bindung und soziale Eingebundenheit durch Gesellschaft anderer

#6 In Gruppen lebt es sich besser

Ein ungeschriebenes Gesetz innerhalb der linguistischen Syntax: Ein Wort steht selten allein. Generell lassen sich Texte in Satzteile – sogenannte Phrasen – unterteilen, welche als abgeschlossene Einheit steht. Für ein erhöhtes Lesetempo solltest du versuchen, bis zu vier Wörter auf einmal zu erfassen, um während der Fixation deines Blickes weiterhin Informationen aufzunehmen. Auch eine Einteilung in Sinneinheiten oder ganz einfach nach eigenem Gusto hilft dabei, Texte ganzheitlich schneller zu lesen.

Vom Bachelor zum Master – wie weit erklimmt sich die Karriereleiter 2.png

Fazit: Die Kunst des Schnelllesens

Ob mit oder ohne Pausen, in Begleitung durch Subvokalisation oder nicht: Elementar ist es schlussendlich, die Texte nicht nur zu lesen, sondern in einen einheitlichen Gesamtkontext einzugliedern. Dabei ist entscheidend, dass sich nicht alle Textsorten gleichermaßen als Speed Reading-Objekte eignen, schließlich möchtest du in deiner Freizeit sicherlich nicht effizient, sondern primär zur Entspannung beispielsweise ein Werk aus der Belletristik konsumieren:

„Es geht bei einem Roman oder einer Lyrik oft darum, dass man auch die Tonart oder die Worte wirklich aufnimmt, weil sie schön geschrieben sind“, konstatiert Daniel Wieser, Autor der Publikation „Speed Reading Genius: Wie man ein Genie wird“, im Interview mit Thomas Mangold von Selbstmanagement. „Und bei Sachbüchern geht es hauptsächlich um die Information dahinter. Deswegen würde ich Speedreading nur für Sachbücher empfehlen.“ Hierbei ist es gemäß elementar, ziel- und nutzenbezogen zu lesen. Während wir uns bei einem Fantasywerk primär Unterhaltung erhoffen, lesen wir Fachliteratur meist, um spezifische Informationen zu filtern. Mit diesem Fakt kommen wir zu unserem letzten, finalen Tipp:

#7 Selbstreflexion

Bereits vor Lesebeginn solltest du für dich überlegen, was du wissen möchtest, nachdem du einen Text konsumiert hast. Mit dieser Erkenntnis entsteht automatisch ein mentaler Fokus, mit dessen Hilfe du Informationen, welche in deinen Themenbereich fallen, von irrelevanten differenzieren kannst. Somit wird es dir möglich, ein Werk nicht nur zeiteffizient sowie rasant, sondern auch zielführend zu lesen und nach deinen persönlichen Interessen zu filtern.

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