Berlin, 04.10. im Jahr 2022 – ein kurzer Ausflug mitten in die größte Stadt
Deutschlands. Dein Blick schweift aufgeregt umher, springt zwischen Zügen, Autos und Menschenmassen, welche sich durch die von quietschbunten Plakaten gesäumten Straßen schlängeln. Bis er sich auf dem Werbeplakat eines schwedischen Möbelhauses fängt, welches in blauen Lettern anpreist: Wohnst du noch oder lebst du schon? Einem herannahenden Pärchen gelingt es, dich von der Aufschrift loszureißen, während sie sich angeregt in einer dir unbekannten Sprache unterhalten. Für einen Augenblick siehst du ihnen nach, bis auf einmal dein Handy in der Hosentasche zu vibrieren beginnt: eine neue Nachricht des Kumpels, zu dem du gerade auf dem Weg bist. Flink bedienen deine Finger das Display, um eine entsprechende Antwort zu verfassen.
Werbung, mündliche Kommunikation, Textnachrichten – wer genau hinsieht, der merkt: Sprache ist überall. Manchmal unsichtbar und doch präsent umgibt sie uns wie die vielen verschiedenen Verkehrsmittel in den Großstädten, um etwas – in diesem Falle uns selbst – von A nach B zu bringen. Denn genau das ist die primäre Funktion sprachlicher Äußerungen: Austausch, Informationsvermittlung, Expression persönlicher Anliegen. Wie bereits Wilhelm von Humboldt postulierte, stehen dir mit Sprache ganze Welten offen, schließlich liegt nahezu sämtlichen Arbeits- und Lebensbereichen gelungene Kommunikation zugrunde.
„*Irgendwas mit Sprache*“ – wenn du zu Schulzeiten besonders in Fächern wie Deutsch, Englisch oder Französisch punkten konntest, so wird so vielleicht auch deine Antwort auf die Frage ausfallen, in welche Richtung deine berufliche Laufbahn führen soll. Wirft man einen Blick ins World Wide Web, so stellt man jedoch schnell fest: es existiert kein Studiengang, welcher unter dem grobkarierten Titel „Sprache“ sämtliche Fremdsprachen dieser Welt umfasst. Daher stellen wir uns heute die Frage, welche Angebote es konkret gibt, welche Studiengänge existieren und wie die Berufschancen aussehen!
Studiengang Germanistik: die Muttersprache neu entdecken
"Deutsch? Das kann ich doch schon!“ – ein vielgenutztes Zitat, welches zahlreiche Studierende dieses Fachbereichs in Sekundenschnelle zum Rasen bringen wird, versprochen. Fakt ist nämlich, dass der altbekannte Schulunterricht meist herzlich wenig mit dem zutun hat, das du in einer akademischen Ausbildung in diesem Fachbereich lernen kannst.
In sechs Semestern Regelstudienzeit erhältst du die Chance, deine Leidenschaft sowohl für geschriebene als auch mündliche Kommunikation nach Herzenslust auszuleben – von den ersten Schriftzeugnissen an über Klassiker von Opitz, Lessing und Kafka bis hin zur Analyse hochmoderner Transkriptionen von Gegenständen wie WhatsApp-Chatverläufen kommen Sprachliebhaber:innen definitiv auf ihre Kosten.
Die Germanistik gliedert sich in Sprach- sowie Literaturwissenschaft, wobei du an den meisten Universitäten und Hochschulen primär drei Fachbereiche erlernen wirst:
- Linguistik. Was genau macht eigentlich ein Sprachsystem aus? Inwiefern unterscheidet sich unsere menschliche Kommunikation von tierischer? Und wie ist eine Sprache aufgebaut? All diesen Kernfragen der deutschen Sprache widmet sich die wissenschaftliche Disziplin der Linguistik. Hier lernst du schrittweise die verschiedenen Kernbereiche der Sprachwissenschaft kennen, darunter Phonetik und Phonologie (Lautlehre und -funktion), Morphologie (Wortbildung und Flexion), Syntax (Satzbau), Semantik (Bedeutngslehre) sowie Pragmatik (Sprachverwendung). Im weiteren Verlauf kannst du dich auf interdisziplinäre Bereiche spezialisieren, darunter Schnittstellen mit Soziologie, Psychologie, Neurowissenschaften, Dialektologie, Philosophie oder auch Biologie und Informatik.
- Neue deutsche Literatur. Von Barock über Sturm und Drang bis hin zur Moderne – innerhalb der Literaturwissenschaften erwartet dich ein Ausflug quer durch etliche Jahre Textgenese. Neben einzelnen Epochen lernst du zudem, wie eine bunte Mischung an Texten der Gattungs-Trias aus Lyrik, Epik und Drama zu analysieren, interpretieren und einzuordnen sind.
- Medävistik. „Ist zwîvel herzen nâchgebûr, das muoz der sêle warden sûr“, schrieb Wolfram von Eschenbach in seinem berühmten Parzival, welcher dir mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest vom Hörensagen im Germanistikstudium begegnen wird. Innerhalb dieses dritten Teilbereichs lernst du neben dem Übersetzen des Mittelhochdeutschen als coolen Skill zudem Texte von 800 bis in die frühe Neuzeit kennen und begleitest mittelalterliche Held:innen auf âventiure. Abgeleitet von der Epochenbezeichnung medium aevum führt dich die Mediävistik somit in die Welt des Mittelalters.
Mit Fremdsprachen neue Welten betreten
“A different language is a different vision of life” – wie bereits der italienische Filmregisseur und Drehbuchautor Federico Fellini postulierte, bietet die Beherrschung einer oder mehrerer Fremdsprachen eine Erweiterung des eigenen Horizonts. Ob Englisch, Französisch oder Koreanisch, Kenntnisse in verschiedenen Fachbereichen der Sprache öffnen die Türen zu verschiedensten Berufsmöglichkeiten und Studiengängen:
- Dolmetscher:in. Für eine Karriere als Übersetzer:in sprichst du fließend verschiedene Sprachen, mit deren Hilfe du zwischen Personen aus unterschiedlichen Herkunftsländern vermittelt. Als direkte Instanz solltest du neben einer raschen Auffassungsgabe, Empathie sowie interkulturellem Interesse einen passenden Koffer parat haben, denn: Reisen sind meist inklusive mit abgeschlossener Berufsausbildung. Meist erfolgt diese über eine Hochschule oder Fachakademie, wobei die Berufsbezeichnung Dolmetscher:in in Deutschland nicht geschützt ist.
- Anglistik. Du hast dich schon immer für die Sprache unserer Welt interessiert? Analog zum Germanistik-Studium widmest du dich innerhalb der Anglistik sowohl Linguistik als auch englischsprachiger Literatur und Kultur. Entgegen vielen Erwartungen bietet das Studium keinen Sprachkurs, sondern eine eigene wissenschaftliche Disziplin, mit deren Hilfe du nach deinem Abschluss in Kulturinstituten, Bibliotheken, Redaktionen oder der Erwachsenenbildung tätig sein kannst.
- Internationales Management. Fremdsprachen erfahren innerhalb unserer globalisierten Welt einen stetigen Bedeutungszuwachs, schließlich ist zielgerichtete Kommunikation nur dann möglich, wenn man einander versteht. Logisch, oder? Dieser Studiengang punktet durch eine direkte Brücke zwischen Sprache und Wirtschaft, sodass dir eine internationale Karriere und mögliche Führungspositionen offenstehen. Neben fundierten Fremdsprachkenntnissen erhältst du ein buntes Care-Packet, welches über Arbeitsrecht, Marketingmanagement, Finanz- sowie Investitionswirtschaft und Co. reicht.
- Allgemeine Sprachwissenschaft. Du haderst aktuell mit dir, dich auf eine einzige Sprache zu spezialisieren? Kein Problem, mithilfe der ASW als Allrounder erlernst du nicht sprachspezifisches, sondern universell anwendbares Know-How über menschliche Sprache per se. Neben modalitätsspezifischen Eigenschaften erfährst du in diesem Studiengang alles über soziale Funktionen von Sprache, ihren Erwerb und historische Wandelprozesse innerhalb verschiedener Sprachgemeinschaften.
Alles Kommunikation? Mit PR, Medien und der Öffentlichkeit arbeiten
Kommunikation funktioniert selbstredend nicht nur in kleinem Rahmen – heute denken wir groß!
- PR. Als Öffentlichkeitsarbeit, Public Relations oder in abbreviierter Form auch einfach PR steht dieses Aufgabenfeld für Beziehungen eines Unternehmens oder einer anderweitigen Organisation mit der eigenen Zielgruppe. Zielgerichtete Kommunikation externen sowie internen Rezipient:innen gegenüber trägt maßgeblich zum geschäftlichen Erfolg bei, wobei im Gegensatz zur Werbung die breite Öffentlichkeit adressiert wird.
- Marketing. Das Gesamtpacket aus Trends, Kommunikation und Medien: der Bereich des Marketings kann vieles, von Marktbeobachtung über Preissetzung von Waren bis hin zu ihrer Distribution. Im Rahmen eines (dualen) Studiums oder einer Ausbildung lernst du, was es bedeutet, effizient und effektiv den Absatz einer Firma zu fördern. Wo früher einmal ausschließlich die Herstellung von Waren im Mittelpunkt stand, rücken heute Kommunikationsprozesse, Koordination und Unternehmensführung stetig mehr in den Mittelpunkt.
- Werbetexter:in. Unkonventionell, wirkungsvoll, innovativ – die Köpfe von Werbetexter:innen müssen nur so strotzen an kreativen Ideen, denn: ihre Aufgabe ist es, ein Produkt so zu präsentieren, dass es die Zielgruppe des Unternehmens optimal erreicht. Als Expert:in für Sprache musst du bei der Wahl deines Ausdrucks stets eine Vermarktungsstrategie im Petto haben, um als erfolgreiche:r Texter:in bestenfalls bis zu 48.000 Euro pro Jahr zu verdienen. Das durchschnittliche Gehalt befindet sich bei 38.900 Euro.
- Social-Media-Manager:in. Du kennst dich bestens aus mit Instagram, TikTok und Co., während Xing sowie LinkedIn quasi dein natürliches Habitat sind? Wie wäre es dann mit einer Abzweigung innerhalb Marketing-Branche? Als Social-Media-Manager:in präsentierst du dein Unternehmen nach außen und fungierst als Schnittstelle zwischen diesem und den Kund:innen. Als schnelle Kontaktmöglichkeit interagieren Nutzer:innen direkt via sozialer Netzwerke mit Firmen, sodass du direkte:r Ansprechpartner:in zwischen beiden Parteien agierst.
- Ghostwriting. Halloween ist nicht so dein Ding und auf Geistergeschichten fährst du ebenfalls eher semi ab? Keine Sorge, dieser Beruf hat herzlich wenig mit Hui Buh, dem Kopflosen Nick oder anderen Schlossgespenstern zutun. Als Ghostwriter:in ist es deine Aufgabe, Texte für andere Personen zu verfassen. Seien es Reden, Bücher oder im akademischen Rahmen – durchaus im rechtlichen Graubereich befindlich – auch Seminararbeiten: wer sich auf diesen Bereich spezialisieren möchte, der benötigt primär eine kreative, auf verschiedene Textsorten anwendbare Schreibfeder. Wieviel du in diesem Bereich verdienen kannst, ist stark abhängig von Frequenz, Qualität sowie Umfang der Texte, welche du verfasst – aus diesem Grund siedelt sich das durchschnittliche Gehalt bei ca. 50.375 Euro an.
Punktgenaue Berichterstattung: Willkommen in der Redaktion
Fluid, wandelbar und sich kontinuierlich verändernd: Medien und Zeitgeschehen sind geprägt von Schnelllebigkeit. Andauernd passiert auf der Welt etwas Neues, Politik, Wirtschaft sowie Gesellschaft schreiten voran, Geschichte wird geschrieben und am nächsten Tag wieder umgeworfen.
Um innerhalb der Informationsflut den Überblick zu behalten, sammeln Journalist:innen News, bereiten sie anschaulich auf und hinterfragen aktiv, was zwischen den Zeilen verborgen bleibt. Ob Redakteur:innen, Moderator:innen, Korrespondent:innen oder Reporter:innen, sie alle tragen einen entscheidenden Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung bei. Mit fortschreitender Digitalisierung werden neben klassischen Printmedien besonders online-basierte Formate sowie Social Media stets elementarer, um effiziente Berichterstattung zu leisten.
Das Grundrezept einer „perfekten journalistischen Ausbildung“? Ganz einfach, es existiert schlichtweg nicht. Journalismus lässt sich quasi als das Rom der Arbeitswelt beschreiben, denn: viele Wege führen dorthin. Frischgebackene Neueinsteiger:innen sollten bereits früh damit beginnen, journalistische Erfahrungen zu sammeln, sich selbst auszuprobieren und Arbeitsproben zu kreieren. Neben einem Volontariat eignet sich auch ein Quereinstieg als Expert:in eines Fachbereichs nach dem Studium hervorragend, um in spatenbehafteten Bereichen zu publizieren.
Auf die Technik kommt es an: IT als Schnittstelle zwischen Medien und Sprache
Die Sprachwissenschaft lässt sich mit zwinkerndem Auge gerne als bunter Hund bezeichnen, der interdisziplinär auf verschiedene Fachbereiche übergreift. Neben historischer Linguistik als Übergang zur Geschichte tragen Erkenntnisse aus Medizin, Psychologie oder Soziologie ebenfalls dazu bei, menschliche Sprache aus verschiedensten Perspektiven zu beleuchten. Du interessierst dich sowohl für Sprache als auch für Technik, IT und Co.? Dann aufgepasst: mit diesen beiden Studiengängen können beide Herzen gehört werden, die in deiner Brust schlagen:
- Phonetik. „Sie bringen Siri das Zuhören bei“ – wie bereits diese Headline eines SPIEGEL-Artikels treffend beschreibt, dreht sich die Welt von Phonetiker:innen rasant um Spracherkennung, Lautbildung sowie Lauteigenschaften. Als Schnittstelle zur Physik analysieren sie Lautstrukturen von Sprachen und transkribieren individuelle oder gruppenspezifische Sprechweisen. In Aktion treten kannst du nach erfolgreichem Hochschulabschluss bei der Polizei als Expert:in für Spracherkennung, innerhalb von Softwareentwicklung, Fachverlagen oder der Forschung an Universitäten.
- Computerlinguistik. Du möchtest Sprache in Aktion erleben und nicht ausschließlich Literatur wälzen oder Transkripte analysieren? Innerhalb des Bachelorstudiengangs der Computerlinguistik untersuchst du die automatische Verarbeitung menschlicher Kommunikation und entwickelst Algorithmen gemäß naturwissenschaftlichen Gesetzen der Informatik, Mathematik und Logik.