Jobsuche
12.09.2022
Schreiben, Tippen, Recherchieren – die Arbeit als Journalist:in stellt für viele junge Menschen den nahezu perfekten Traumberuf dar, schließlich möchten die meisten von uns mit unserer Arbeit etwas in dieser wankelmütigen Welt bewegen. Spannende Personen mit noch interessanteren Geschichten kennenlernen. In branchenvariierenden Diskursen mitmischen und einen ganz eigenen Beitrag zum gesellschaftlichen Austausch beitragen. Kurzum: eine symbiotische Kombination aus beidem, kreativer Arbeit und faktischer Wissensvermittlung, mit einem Hauch von Schärfe im Abgang.
"Journalism can never be silent: that is its greatest virtue and its greatest fault. It must speak, and speak immediately, while the echoes of wonder, the claims of triumph and the signs of horror are still in the air" – Henry Grunwald, Chefredakteur des Nachrichtenmagazins „TIME“ und Botschafter der US in Österreich
Da jeder Anfang meist schwer ist, lohnt es sich definitiv, bereits vor der finalen Berufswahl einen Blick auf die Vor- und Nachteile der Karriererichtung zu wagen. Bin ich überhaupt für eine solche Arbeit geeignet? Welche Hürden muss ich auf meiner Reise überwinden? Und wie funktioniert die Reise in Richtung des Traumberufs Journalist:in eigentlich? Oder anders gesagt: Was braucht es zum Traumberuf?
Zur Beantwortung dieser Fragen haben wir mit Nicole Trötzer Buhrke gesprochen. Sie ist erfahren in Print- sowie Online Medien und kennt sich als freie Journalistin bestens aus mit den Prozessen, die hinter dem Berufsfeld stecken. Bereits seit 2005 textet die gebürtige Bremerin für verschiedenste Magazine, darunter Szene Hamburg, GEO Special, Cicero, Prinz, SoLatino und hamburg:pur sowie von 2011 an für das BÜCHER und Hörbuch-Magazin. Zudem schreibt sie für Websites wie NDR Online oder hamburger-sommer.de und hat zudem Erfahrung im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Im heutigen Interview berichtet sie uns von ihrem beruflichen Werdegang und gibt exklusive Einblicke sowie Tipps für Einsteiger:innen in das Berufsfeld des Journalismus.
stellenwerk: Frau Buhrke, nach Ihrem Studium an der Universität Hamburg arbeiten Sie heute hauptberuflich als freie Journalistin. Bevor wir einen Blick in Ihren aktuellen Tätigkeiten werfen, kehren wir zurück zu den Anfängen: Beleuchten Sie für uns gerne Ihren Werdegang, der Sie zu diesem Berufsfeld geführt hat.
Nicole Trötzer Buhrke: Ich habe Germanistik, Romanistik und Lateinamerika-Studien auf Magister studiert, Mir war schon nach dem Abi klar, dass ich Journalistin werden möchte – deshalb habe ich mich während des Studiums schon schon für journalistische Praktika beworben, und zwar beim NDR Radio und Fernsehen, bei der Hamburger Rundschau, in der Presseabteilung eines Unternehmens und bei einem Fernsehsender in Argentinien. Dort durfte ich auch erste Artikel ins Spanische übersetzen und in einer Zeitschrift veröffentlichen. Dann habe ich mich nach dem Uni-Abschluss für ein Volontariat beworben – es hat bei dem Stadtmagazin Szene Hamburg geklappt – und zwar in der Print- und in der Online-Redaktion. Das war super, sehr lehrreich, mit viel Praxis und unheimlich viel Spaß bei der Arbeit. Nach zwei Jahren war ich dann Redakteurin, habe mich selbständig gemacht und für verschiedene Medien geschrieben sowie in PR-Agenturen gearbeitet.
SW: Warum genau sind Sie Journalistin geworden? Was war Ihre Motivation?
NT: Ich hatte immer Freude am Schreiben, schon in der Schule fand ich schriftlichen Ausdruck reizvoll, ich war neugierig auf Menschen allgemein und vielseitig interessiert, zudem habe ich gern Informationen textlich auf den Punkt gebracht, um sie anderen zu vermitteln. Ganz wichtige Motivation ist auch die Suche nach Wahrheiten. Man will mehr wissen, man will recherchieren und erfahren, was los ist – sich nicht mit vorgekautem Wissen zufriedengeben oder mit Floskeln abspeisen lassen.
SW: Skizzieren Sie doch einmal Ihren typischen Arbeitsalltag – inwiefern läuft der Produktionsprozess ab, der zwischen ersten Impulsen und dem finalen Beitrag am Ende steht?
NT: Im Moment schreibe ich an einer Spezial-Strecke über spanische Literatur bei der kommenden Frankfurter Buchmesse. Ich habe Aufträge für mehrere Artikel, Buchrezensionen und ein Interview. Die Abgabefristen, Themen und die Textlänge sind genau vorgegeben. Zuhause am Computer tippe ich die Texte, sammle und bearbeite Fotos, per Telefon, E-Mail und direkt vor Ort Face to Face führe ich Gespräche und informiere mich. Teils schlage ich auch selbst Themen vor – dann skizziere ich kurz die Idee, mache eine Vorabrecherche und schicke den Vorschlag an eine Redaktion. Wenn die anbeißt, bekomme ich die oben angegebenen Vorgaben – Termin, Textlänge, ungefähre Inhalte – und muss liefern. Und dies pünktlich und genau. In der Regel liefere ich die Fotos dazu, ich kann auch welche besorgen, die frei zum Abdruck zur Verfügung stehen. Das erledige ich mit.
SW: Für Journalist:innen stellt sich im späteren Berufsleben die Frage, ob für sie die redaktionelle Tätigkeit in einem Unternehmen oder doch lieber in selbstständigem Rahmen bevorsteht. Wie würden Sie aus der freiberuflichen Perspektive antworten? Welche Chancen und Risiken gibt es?
NB: Als Freiberuflerin hat man sehr viele kreative Freiheiten, ich kann im Laufe der Jahre ganz unterschiedliche Auftraggeber:innen kennenlernen, mit verschiedenen Teams arbeiten, viel ausprobieren. Ich muss nicht alles machen – anders in Festanstellung, da muss ich mich dem beugen, was die Chefredaktion oder Verlagsleitung vorgibt. Da kann man schon mal an Grenzen stoßen und frustriert sein. Aber, man muss sich als Freie sehr um Aufträge bemühen, den Honoraren hinterherlaufen, man braucht unbedingt mehrere Standbeine, wie in meinem Fall Schreiben und Unterrichten, sonst verdient man nicht genug. Oder besser, freie Journalist:innen sind nicht reich, aber eben unabhängiger, das ist der Preis der Freiheit. Eine Festanstellung bringt ein festes Gehalt und auch feste Strukturen, Freie müssen sehr diszipliniert sein, du musst dich täglich selbst motivieren, deinen Tag strukturieren, dir Ziele setzen – das muss man genau überlegen, ob man das kann!
SW: Sie haben sich während Ihrer Laufbahn auf die Schwerpunktgebiete Kultur, Literatur, Theater sowie Reisen, Länder und Interkulturelles spezialisiert. Ist es Ihrer Meinung nach lohnend, sich bei der eigenen Arbeit auf spezifische Bereiche festzulegen?
NT: Als Journalist;in ist es dringend zu empfehlen, sich auf einen Schwerpunkt zu spezialisieren! Das kann Wirtschaft sein oder naturwissenschaftliche Themen, richtig gut läuft es, wenn das Thema eine wenig besetzte Nische ist, wie etwa Orientalistik oder China und Chinesisch, vielleicht auch Umweltthemen. Mein Schwerpunkt entspricht einfach dem, wofür ich mich begeistere, aber es gibt viele Kulturjournalist:innen und eher weniger Raum in den Medien für Kultur. Am meisten bringen mir da teils meine guten Sprachkenntnisse in Französisch und Spanisch, um anderen Kolleg;innen gegenüber zu punkten.
SW: Zahlreiche Journalist:innen sind Quereinsteiger:innen, die ursprünglich aus verschiedensten Sparten stammend zusammengewürfelt sind. Daher stellt sich für Berufsanfänger:innen häufig die Frage, was sinnvoller ist: ein direktes Studium im (print-)medialen Bereich oder doch in einer ganz eigenen Richtung?
NT: In der Regel sagt man, es macht mehr Sinn, sich ein Thema wirklich gut anzueignen, also Politik, VWL oder Biologie studieren, und dann eine journalistische Ausbildung hinterher oder nebenbei, also sich in einer Journalist:innenschule bewerben oder ein Volontariat. Es ist nicht nötig, Journalistik oder so zu studieren, außer vielleicht im Nebenfach. Allerdings ist der Beruf technisch gesehen komplexer geworden, man muss multimedial arbeiten können, also für Internet, Social Media und klassisch Print schreiben können, beim Fernsehen drehen viele ihre eigenen Videos und schneiden diese auch, beim Radio müssen Journalist:innen heute selbst die fertige Audio-Datei liefern, früher musste man nur im Tonstudio sprechen, das Schneiden und Mischen haben andere erledigt, Deshalb ist eine Hochschule mit guter Medienschulung – im Nebenfach oder wie auch immer, sicher gut.
SW: Kurz und knackig auf den Punkt: Welche Eigenschaften sollten junge Menschen für den Beruf mitbringen?
NT: In jedem Fall Neugier auf Menschen, Themen und Neues in der Welt, dazu Offenheit, Flexibilität, ein gewisses Tempo beim Arbeiten und Selbstbewusstsein. Man ist auch viel Kritik und Gegenwind ausgesetzt. Das sollte einen nicht entmutigen, eher anspornen ;) .
SW: Würden Sie denn sagen, dass eine akademische Ausbildung, unabhängig vom Fachbereich, obligatorisch ist für eine Arbeit im Journalismus?
NT: Nein, das ist nicht so, ich kenne gute Journalist:innen, die haben nach ein paar Semestern an der Uni die Journalist:innenschule besucht oder sind gleich bei einer Zeitung quereingestiegen. Das kann man schaffen, die Uni ist manchmal zu lang und akademisch geprägt, journalistisches Arbeiten lernt man in der Praxis. Aber für die Gehaltsklasse und spätere weitere Jobalternativen lohnt sich ein Studienabschluss schon, auch für einen selbst persönlich.
SW: In Ihrer Vita ist nachzulesen, dass Sie neben schreibender Tätigkeit in einem Seminar die Schulhomepage an einem schleswig-holsteinischen Gymnasium betreuen und Medientechnik unterrichten. Inwiefern sehen Sie Vorteile darin, bereits im schulischen Alter erste redaktionelle Erfahrungen zu sammeln?
NT: Zunächst einmal denke ich, dass Schülerinnen und Schüler Zeitungen und Online-Medien selbst anders beurteilen und lesen, wenn sie erfahren, wie so etwas redaktionell produziert wird. Sie beurteilen Medien und Artikel kritischer, interessieren sich aber teils auch mehr für Medien und deren Inhalte und Macharten. Zum anderen können manche hier schon vor dem Abi herausfinden, ob das Arbeiten mit Texten, Medien und journalistischen Formaten für sie attraktiv ist, ob sie dafür ein Talent haben, oder eher nicht. Außerdem kann sie das dabei fördern, später selbst eine eigene Homepage zu entwerfen, das ist eine tolle Möglichkeit, sich im Arbeitsleben zu präsentieren.
SW: Die meisten unserer Leser:innen befinden sich aktuell am Anfang ihrer Karriere. Gibt es etwas, dass Sie Ihrem damaligen Selbst raten würden, wenn Sie in Ihre Studienzeiten zurückblicken?
NT: Ja, mutiger zu sein, man muss als junger Mensch vieles ausprobieren und darf dabei Fehler machen, denn aus diesen lernen wir und kommen voran. Zu meiner Zeit wurden junge Leute gern anfangs eingeschüchtert, wenn sie mit neuen Ideen kamen, man hatte oft das Gefühl, es müsse gleich alles perfekt sein und den etablierten älteren Professoren oder Vorgesetzten genügen, dabei denke ich heute, die unbefangene, frische Art von jungen Anfänger:innen enthält doch so viel Potenzial, was man fördern sollte und nicht gleich ausbremsen.
SW: Herzlichen Dank für das Interview und alles Gute!
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